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Kurzdarmsyndrom

Was ist ein Kurzdarmsyndrom?

Das Kurzdarmsyndrom (KDS) ist in den meisten Fällen die Folge einer gastroenterologischen Operation, bei der große Teile des Dünndarms entfernt werden mussten. Verschiedene Erkrankungen können solche Operationen notwendig machen:

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), z.B. Morbus Crohn
  • Entzündung des Darms nach Bestrahlung (Strahlenenteritis)
  • Verletzungen der Bauchorgane, z.B. durch Unfälle oder im Rahmen von chirurgischen Eingriffen und Komplikationen
  • Störung der Darmmotilität (intestinale Pseudoobstruktion)
  • Durchblutungsstörung durch Darmverschluss (Darmileus)
  • akuter Verschluss der Arterien, die die Bauchorgane versorgen (Mesenterialinfarkt)
  • Darmfisteln
  • Darmtumor
  • Lymphome

Früher sprach man dann von einem Kurzdarmsyndrom, wenn weniger als 2 m von ursprünglich insgesamt 3-5 m des Dünndarms erhalten bleiben konnten.

Heute wird das KDS vorwiegend über den Funktionsverlust des Darms definiert. Demnach liegt die Diagnose vor, wenn Nährstoffe und Flüssigkeiten vom verbleibenden Darmabschnitt nicht mehr vollständig aufgenommen werden können. Entsprechend des individuellen Verlaufs muss die Ernährung ergänzt werden, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.

Die sog. Malabsorption (die unzureichende Aufnahme von Nährstoffen) ist abhängig vom Ausmaß der Resektion, der Lokalisation und der Grunderkrankung.

Welche Symptome treten bei einem Kurzdarmsyndrom auf?

Die signifikantesten Symptome bei KDS sind Durchfall (Diarrhö), Nährstoff- und Vitaminmangel, Dehydrierung und Gewichtsverlust. Darüber hinaus kann es zu weiteren Symptomen bzw. Folgeerscheinungen des Nährstoffmangels kommen:

  • Depressionen
  • Dyspepsie (= Oberbauchbeschwerden)
  • gestörte Wundheilung
  • Herzrhythmusstörungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Laktoseintoleranz
  • Müdigkeit und Schwäche
  • Muskelkrämpfe (durch Magnesiummangel)
  • Nierensteine und Nierenkoliken
  • Steatorrhö (= Fettstühle)

Welche Medikamente können helfen?

Medikamente mit dem Wirkstoff Teduglutid können die Nährstoffaufnahme verbessern, indem das Zottenwachstum der Dünndarmschleimhaut angeregt wird, wodurch der Bedarf an parenteraler Ernährung verringert werden kann.

Bei Durchfall können Antidiarrhoika wie Loperamid oder Opiumtinktur verwendet werden. Sie fungieren als Motilitätshemmer, führen zu einer verlangsamten und daher verbesserten Nährstoffaufnahme und reduzieren den Flüssigkeitsverlust. Die Therapie mit einem Gallensäurebinder wie beispielsweise dem Wirkstoff Cholestyramin eignet sich insbesondere bei durch Malabsorption von Gallensäure verursachten Durchfall. Zu den Säureblockern zählen auch z.B. Protonenpumpenhemmer wie z.B. Pantoprazol, die bei der übermäßigen Produktion von Magensäure zum Einsatz kommen.

Auch kann – je nach Symptomen – die Einnahme von Pankreasenzym-Präparaten hilfreich für die Fettverdauung sein.

Kurzdarmsyndrom bei Babys und Kindern

Bei (Klein-)Kindern tritt das Kurzdarmsyndrom nur sehr selten auf. In den meisten Fällen wird es bereits im Neugeborenenalter durch komplizierte operative Eingriffe, durch Gastroschisis (eine während der Schwangerschaft entstandene Bauchspalte, durch die der Darm nach außen heraustritt), durch eine Darmverschlingung (Vulvolus), eine Durchblutungsstörung im Dünndarm (Dünndarmischämie), Entzündungen oder auch durch angeborene Fehlbildungen des Darmtraktes verursacht. Neugeborene und Kinder mit einem Kurzdarmsyndrom haben gute Überlebenschancen, da der Darm noch sehr anpassungsfähig ist und sich auf die neue Situation einstellen kann, ohne dauerhaft auf eine parenterale Ernährung angewiesen zu sein – sofern der Erhalt der entsprechenden Darmteile möglich ist. Im Fokus der Behandlung steht eine fachübergreifende Langzeittherapie, dessen Schwerpunkte es sind, Ernährungsdefizite auszugleichen, Infektionsrisiken möglichst zu minimieren und vor allem Wachstumsstörungen zu vermeiden.

Was sind die Folgen eines Kurzdarmsyndroms?

Der Dünndarm hat als Teil des Verdauungskanals die Aufgabe, die aufgespaltenen Nahrungsbestandteile aufzunehmen und in die Blutbahn zu leiten. Die Nahrung begibt sich während der Verdauung auf einen langen Weg durch den Dünndarm, auf dem genug Zeit bleibt, alle Nahrungsbestandteile aufzunehmen. Das ist bei einem stark verkürzten Darm in der Form nicht mehr möglich. Liegt ein Kurzdarm vor, kann der verbliebene Darmabschnitt die Nahrung nicht mehr in gleichem Umfang verdauen und aufnehmen. Es entwickelt sich folglich ein Mangel an Energie, Eiweiß, Fett, Flüssigkeit und Mineralstoffen.

Es kommt darauf an, welcher Abschnitt des Dünndarms entfernt wurde und wie viel vom Dickdarm erhalten bleibt: Wurde der mittlere Teil (Jejunum) des Dünndarms entfernt, kann der hintere Teil (Ileum) diesen Verlust meist ausgleichen, indem dieser mehr Nährstoffe aufnimmt. Wurde jedoch mehr als 1 m des Ileums entfernt, kann sich der verbleibende Teil in der Regel nicht mehr anpassen. Wurde der letzte Abschnitt des Ileums entfernt, kann der Darm zudem keine Gallensäuren und kein Vitamin B12 mehr aufnehmen.

Bleibt die Malabsorption von Nährstoffen und Flüssigkeiten dauerhaft bestehen, ist der Patient auf eine lebenslange parenterale Ernährung angewiesen. Verträgt er auch die totale parenterale Ernährung (TPN) nicht, besteht noch die Möglichkeit einer Dünndarmtransplantation; diese birgt allerdings das tödliche Risiko einer Abstoßung.

Wie sieht die Ernährungstherapie aus?

Grundsätzlich ist eine kalorienbewusste, gesunde Ernährung ausschlaggebend für ein gestärktes Immunsystem und für eine gute Lebensqualität. Bei KDS-Patienten, denen weniger als die Hälfte ihres Darms verblieben ist, ist es jedoch so, dass sich der ursprüngliche Kalorienbedarf nach der Operation stark erhöht oder sogar verdoppelt, wodurch es zu einer Mangelernährung kommt, weil trotz gleicher Nahrungszufuhr nicht genügend Nährstoffe aufgenommen werden können und wichtige Spurenelemente fehlen.

Um die Mangelzustände zu behandeln, muss eine Ernährungstherapie begonnen werden. Sie ist abhängig vom Ausmaß der Operation und vom Zeitpunkt nach der OP. Hauptziel der Therapie ist es, die Beschwerden zu lindern und bestehende Mängel auszugleichen.

Beim Kurzdarmsyndrom werden drei Phasen unterschieden, die als Leitlinie für die Ernährungstherapie gelten:

Phase Dauer Behandlungsmaßnahmen

Hyper-sekretion

4-6 Wochen Ausschließlich parenterale Ernährung mit ballaststofffreier Sondennahrung

Adaption

4 Wochen - 24 Monate Beginn mit oraler Ernährung; Orientierung an der Verträglichkeit des Patienten maßgeblich
Stabilisation 1-2 Jahre nach der OP, ggf. darüber hinaus Ziel: optimale Vollkost; falls nicht möglich, muss auf künstliche enterale Ernährung zurückgegriffen werden

In der Hypersekretionsphase, die direkt nach der Operation einsetzt, kommt es häufig zu starken Durchfällen und Fettstühlen. Aufgrund des vermehrten Verlusts von Nährstoffen, Flüssigkeit und Elektrolyten werden diese Nahrungsbestandteile intravenös verabreicht – abgestimmt auf den individuellen Bedarf des Patienten.

In der Adaptionsphase findet die Regeneration des Kurzdarms statt, die Durchfälle reduzieren sich. Wenn möglich, wird nun von parenteraler Ernährung auf enterale und/oder orale Ernährung umgestellt. In dieser Phase bieten sich sog. niedermolekulare Nahrungsmittel an. Hierbei handelt es sich um eine chemisch definierte Sondenkost, bei welcher die Nährstoffe in leichter aufnehmbarer Form vorliegen.

In der Stabilisationsphase kommt es weitaus seltener zu Durchfällen und Fettstühlen. Die Ernährung deckt den Energiebedarf optimalerweise ausschließlich durch orale Ernährung, die Verdauungsprozesse normalisieren sich. Auch langfristig können Nahrungsergänzungsmittel den Speiseplan ergänzen. Bei der oralen Ernährung ist es besser, lieber 6-8 kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen anstatt 3 große. Darüber hinaus ist es wichtig, die Nahrung gründlich zu kauen und viel Wasser zu trinken.

Während des gesamten Zeitraums der Ernährungstherapie benötigt der Patient ein individuelles Betreuungsmanagement. Dabei spielt das Zusammenwirken von Ernährungstherapeuten, Ärzten, Pflegern oder Homecare-Anbietern eine zentrale Rolle, denn durch diese wird eine problemlose Überleitung in den häuslichen Bereich ermöglicht. Die Ernährungsweise sollte auch über den Verlauf der drei Phasen hinaus langfristig in regelmäßigen Abständen überprüft und angepasst werden.

Die Deutsche Stiftung gegen Mangelernährung (eine Interessenvertretung Betroffener mit krankheitsbedingter Mangel- und Unterernährung) stellt umfassende Informationen zum rund ums Thema Kurzdarmsyndrom bereit, und in den medizinischen Versorgungszentren der Stiftung werden die Patienten hausärztlich zu spezifischen Ernährungsfragen beraten und behandelt.

Zudem bieten Selbsthilfegruppen wie die Selbsthilfe Kurzdarmsyndrom“ den Betroffenen eine Möglichkeit zum Austausch von Erfahrungen zu ihrem Krankheitsbild.

Häufige Fragen und Antworten

Welche Lebensmittel sollte ich bevorzugt essen und welche sollte ich möglichst meiden?

Das lässt sich pauschal nicht sagen, denn die Ernährungsweise ist abhängig davon, welche Darmsegmente entfernt wurden, in welcher Phase der Ernährungstherapie man sich befindet und was man individuell verträgt. Ein Tipp aus der Praxis: Ein Symptomtagebuch zu führen hilft einem dabei, eventuelle Unverträglichkeiten zu erkennen.

Eine empfohlene langfristige Ernährungsweise ab Phase 3 basiert optimalerweise auf einer leichten, eiweiß- und kalorienreichen Vollkost. Eiweißreiche Lebensmittel sind z.B. Fisch, mageres Fleisch, Milch und Milchprodukte (Käse, Quark, …). Sollten sämtliche Nahrungsmittel nicht vertragen werden, kann auf Eiweißkonzentrate zurückgegriffen werden. Eine kalorienreiche Ernährung erreicht man durch den Konsum von Butter, Öl, Sahne, Süßigkeiten und hochkalorischen Zusatznahrungen.

Erfahrungsgemäß eignen sich außerdem Haferflocken, Möhrensuppe und Bananen.

Lebensmittel, die hingegen vermieden werden sollten, sind vor allem blähende und ballaststoffreiche Nahrungsbestandteile: Hülsenfrüchte, Pilze, Kohl, Vollkornprodukte, frittiertes Essen, Rohkost und Getränke mit Kohlensäure.

Welche Mikronährstoffe soll ich bei einem KDS zu mir nehmen?

Kommt es durch das KDS zu verstärkten Durchfällen, fehlt es dem Organismus häufig an Zink. Bei Fettstühlen (Steatorrhö) und bei einer geringen noch vorhandenen Restlänge des Darms besteht zudem ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin A, E und D. Wurden große Teile des terminalen Ileums entfernt, kann Vitamin B12 nicht mehr ausreichend resorbiert werden. Fehlen Teile des oberen Dünndarms, ist die Resorption von Eisen vermindert; auch im Rahmen der Grunderkrankung (z.B. bei Morbus Crohn) können bereits Mangelzustände entstehen. Ferner sind Folsäure (Vitamin B9) und Selen. Folsäure ist wichtig für die Zellteilung, Selen dient dem Schutz vor Zellschädigungen durch freie Radikale.

Es gibt Kombi-Präparate, die alle wichtigen Mikronährstoffe enthalten.

Welche Reha-Kliniken gibt es speziell für KDS-Patienten?

Folgende drei Rehakliniken haben sich auf Patienten mit Kurzdarmsyndrom spezialisiert:

Reha-Zentrum Mölln - Klinik Föhrenkamp

Birkenweg 24
Mölln 23879
Deutschland

Vitalisklinik Bad Hersfeld GmbH


Am Weinberg 3
Bad Hersfeld 36251
Deutschland

Rehazentrum Klinik Niederrhein

Abteilung für Gastroenterologie und Stoffwechsel
Hochstr. 13-19
Bad Neuenahr-Ahrweiler 53474
Deutschland

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Rehakliniken mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie. Hier werden Patienten mit chronischen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes bzw. nach einer Operation an den Verdauungsorgangen therapiert.

Wie hoch ist die Lebenserwartung mit einem KDS?

Die Lebenserwartung mit einem Kurzdarmsyndrom ist im Gegensatz zur Normalbevölkerung ohne Befund verringert und steht in Abhängigkeit von der Länge des übriggebliebenen Dünndarms. Wenn bestimmte Darmsegmente, die eine spezifische Aufgabe im Verdauungsprozess der Darmflora erfüllt haben, nicht mehr existieren, ist das KDS in diesem Sinne nicht heilbar, da sie nicht von anderen Abschnitten übernommen werden kann. Oft können aber mit Hilfe von Medikamenten und einer Ernährungstherapie (mit Mikronährstoffsubstitution) trotz Erkrankung gute Resultate erzielt werden.

Gilt man mit einem KDS-Syndrom als schwerbehindert?

Als schwerbehindert gilt man allgemein bei einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 %. Je stärker die Beeinträchtigungen im Alltag durch das Kurzdarmsyndrom sind, desto höher fällt der GdB aus. Der Grad der Behinderung ist zudem abhängig von der Grunderkrankung. Der GdB bei einem Kurzdarmsyndrom im Kindesalter liegt bei einer mittelschweren Gedeih- und Entwicklungsstörung bei 50-60 und bei schwerer Ausprägung bei 70-100.

Zu welchen Symptomen kommt es in Folge einer Dünndarmresektion mit zusätzlicher Kolektomie und was kann man dagegen tun?

Wenn Segmente des Dünndarms entfernt werden mussten, kann der Dickdarm normalerweise die fehlenden Funktionen des Dünndarms ausgleichen und die Energiebilanz konstant halten, denn er kann Elektrolyte und Wasser aufnehmen und Kohlenhydrate und Ballaststoffe in abbaubare kurzkettige Fettsäuren umwandeln.

Bei einer Dünndarmresektion mit gleichzeitiger Kolektomie, der (teilweisen) Entfernung des Dickdarms, entfällt jedoch diese Funktion, sodass es in der Folge zu starken Durchfällen kommt, ebenso beim Verlust der Ileozökalklappe.

Musste der Dickdarm vollständig entfernt werden, kann die Ernährung in oraler Form nur ab einer Dünndarm-Restlänge von 110-115 cm erfolgen.

Zottentraining in Kombination mit einer Ernährungstherapie kann dabei helfen, die Nährstoffverwertung der Restlänge des Darms zu optimieren, indem seine Resorptionsfläche vergrößert wird und dadurch mehr Nährstoffe aufgenommen werden können.

Wie kann ich den Alltag mit einem KDS meistern?

Die Diagnose „Kurzdarmsyndrom“ stellt für die meisten Betroffenen einen signifikanten Einschnitt in ihrem Leben dar. Von nun an scheint der Alltag durch Durchfälle und Kraftlosigkeit gemaßregelt zu werden, sodass es den Patienten in der Anfangsphase nach der Operation unmöglich erscheint, jemals wieder ein normales Leben führen zu können. Oftmals steht das KDS auch in Verbindung mit anderen psychischen Problemen, wie beispielsweise dem Umgang mit der Vernarbung am Körper. Gerade in Phase 3 der Ernährungstherapie spielt die Psyche den Betroffenen meist ein Streich: Sie können nur schwer mit der neuen Situation abfinden und wollen verständlicherweise schnelle Ergebnisse sehen. Doch hier ist es sinnvoll, sich selbst nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Der Darm braucht seine Zeit, um sich von der Operation regenerieren zu können.

Es ist möglich, sein Leben trotz KDS weiterhin aktiv und mit Freude zu leben.