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Analatresie

Was ist eine Analatresie?

Bei einer Analatresie handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung des Enddarms beziehungsweise des Afters. Sie gehört zu den so genannten anorektalen Fehlbildungen. Häufig wird der Begriff Analatresie auch als Synonym für alle anorektalen Fehlbildungen verwendet, im engeren Sinne bezeichnet sie allerdings nur den Verschluss des Afters.

Sie tritt bei ungefähr einem von 3.000 bis 4.000 Neugeborenen auf. In Deutschland wird also durchschnittlich jeden zweiten Tag ein Kind mit dieser Erkrankung geboren. Jungen sind etwas häufiger von einer anorektalen Fehlbildung betroffen als Mädchen.

Kennzeichen einer Analatresie ist, dass ein neugeborenes Kind bei der Geburt keinen Darmausgang hat oder sich die Öffnung an einer anderen Stelle, als es bei gesunden Menschen der Fall ist, befindet. Der Enddarm oder der After sind nicht oder nur unzureichend ausgebildet. Die Schließmuskulatur, die wichtig für die Stuhlkontrolle ist, kann ganz oder teilweise fehlen. In vielen Fällen besteht gleichzeitig eine Fistel, das heißt eine unnormale Verbindung, zwischen dem Enddarm und dem Damm, den Geschlechtsorganen oder den Harnwegen. Analatresien gehen zu 90% mit einer Fistel einher.

Analatresie und Inkontinenz

Stuhlinkontinenz bedeutet zunächst einmal, dass die Fähigkeit verloren gegangen ist, den Stuhl ort- und zeitgerecht abzusetzen. Stuhl wird ohne willentliche Beeinflussung in Form von Luft, Darmschleim oder Stuhl verloren. Das kann sowohl bei einer echten Stuhlinkontinenz der Fall sein als auch bei starker Verstopfung, wenn sich „Reste“ am harten Stuhl vorbei den Weg nach außen bahnen. Das Resultat sind sogenannte Stuhlunfälle. Die Unterwäsche wird verunreinigt, vermehrte Blähungen können auftreten. Es gibt viele Ursachen dafür – eine davon ist eine angeborene Erkrankung im Bereich des Enddarms als Folge einer falschen Darmentwicklung während der Schwangerschaft. Der Stuhl kann entweder gar nicht geleert werden oder er gelangt über eine Fistel via Scheide oder Blase nach außen. In den letzten Fällen kann der Abgang dann nicht kontrolliert werden.

Wie sehen die Symptome aus?

Das hauptsächliche Symptom bei einer Analatresie ist die fehlende Afteröffnung oder eine Öffnung, die sich nicht an der normalen Stelle des Anus befindet, sondern weiter nach vorne in Richtung des Damms. Da die Verbindung nach außen fehlt, bildet das Ende des Dickdarms eine blind endende Aussackung. Klinisch betrachtet handelt es sich hierbei um einen verlängerten, tiefen Dickdarmverschluss (Ileus). Je nachdem, wie weit diese Aussackung von der Haut entfernt ist, kann der erste Stuhl des Neugeborenen (Mekonium) durch die Haut hindurch schimmern.

Analatresien werden nach dem Vorhandensein und dem Verlauf möglicher Fisteln und dem Geschlecht eingeteilt. Bei Jungen gibt es folgenden Formen einer Analatresie:

  • Analatresie ohne Fistel: Der Dickdarm endet blind ohne Verbindung zur Haut oder einem anderen Organ. (Abb 1)
  • Rektoperineale Fistel: Die Fistel mündet vor dem Analgrübchen in die Haut des Dammes, des Hodensacks oder des Penis. (Abb 2)
  • Rektourethrale Fistel: Diese Fistel ist die häufigste Form und verläuft vom Enddarm zur Harnröhre. Bei dieser Form handelt es sich um die häufigste Form einer anorektalen Fehlbildung bei Jungen. (Abb 3)
    • Unterschieden werden kann dabei zwischen einer prostatischen Harnröhre, bei der die Fistel in die untere Harnröhre mündet,
    • beziehungsweise der bulbären Harnröhre, bei der die Fistel in die obere Harnröhre mündet.
  • Rektovesikale Fistel: Die Fistel mündet in den Blasenhals. Diese Form kommt bei etwa zehn Prozent der Betroffenen vor (Abb 4)
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Unterschiedliche Formen der Analatresie bei Jungen © Bilder modifiziert aus Ashcraft's Pediatric Surgery, 5th edition

Die häufigste Form einer Analatresie bei Mädchen ist eine anorektale Fehlbildung mit einer Fistel, die in den Scheidenvorhof mündet (rekto-vestibuläre Fistel). Weitere Formen sind:

  • Analatresie ohne Fistel: Der Dickdarm endet blind ohne Verbindung zur Haut oder einem anderen Organ. (Abb 5)
  • Rektoperineale Fistel: Die Fistel mündet in den Damm zwischen Analgrübchen und Scheidenvorhof. (Abb 6)
  • Rektovestibuläre Fistel: Die Fistel mündet in den Scheidenvorhof. Diese Form ist häufigste Form bei Mädchen. (Abb 7)
  • Kloakale Fehlbildung: Darm, Scheide und Harnröhre münden in eine gemeinsame Öffnung. Der Kanal kann mehr als 3 cm lang sein. (Abb 8)
  • Rektovaginale Fisteln: Diese Fistel ist eine echte Rarität und endet in der Scheide.
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Unterschiedliche Formen der Analatresie bei Mädchen © Bilder modifiziert aus Ashcraft's Pediatric Surgery, 5th edition

Außerdem gibt es sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen eine Form der Analatresie ohne eine Fistelbildung. Bei dieser endet der Dickdarm blind ohne eine Verbindung zur Haut oder einem anderen Organ. Allerdings tritt diese Form sehr selten auf. Nur bei Kindern mit Trisomie 21 gibt es mit fünf Prozent Anteil aller Analatresien eine Häufung von Fällen.

Eine weitere Form einer anorektalen Fehlbildung ist eine Analstenose beziehungsweise Rektumstenose, bei der zwar eine Öffnung des Enddarms nach außen an der üblichen Stelle besteht, diese aber deutlich verengt ist. Bei der so genannten Rektumatresie ist die eigentliche Afteröffnung normal angelegt, allerdings ist der Mastdarm unterbrochen, beispielsweise durch eine Membran oder durch einen fehlenden Darmabschnitt. Weitere, seltenere Formen sind unter anderem das so genannte Pouch colon oder der Y- oder H-Fistel Typ.

Neben den analen Fehlbildungen bestehen bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen weitere Fehlbildungen. Besonders häufig sind Fehlbildungen der Nieren und der ableitenden Harnwege. Weiterhin kann es aber auch zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane, der Wirbelsäule, des Herzens, der Luft- und Speiseröhre und der Extremitäten, das heißt der Arme und Beine, kommen.

Was sind die Ursachen?

Die genaue Ursache einer Analatresie ist noch nicht bekannt. Es steht aber fest, dass sie in der Frühphase der Schwangerschaft, das heißt zwischen der vierten und zwölften Schwangerschaftswoche, entsteht. Mehrere Gewebeschichten, aus denen später der Darm- und Harntrakt gebildet werden, werden in dieser Zeit unzureichend oder fehlerhaft ausgebildet.

Warum es zu dieser Fehlbildung kommt, konnte bisher nicht geklärt werden. Allerdings vermuten Wissenschaftler einen Zusammenhang mit so genannten teratogenen Substanzen. Dabei handelt es sich um Stoffe, die dem Embryo im Mutterleib schaden können, wenn die Mutter damit in Kontakt kommt. Beispiele hierfür sind Retinolsäure, Antrazykline oder Thalidomid.

Vermutet wird außerdem eine Beteiligung von genetischen Faktoren bei der Entstehung einer Analatresie. Hinweise hierauf liefert die Häufung einer Erkrankung innerhalb von Familien. Wenn Eltern beispielsweise bereits ein Kind mit einer Analatresie geboren haben, ist die Wahrscheinlichkeit für das zweite Kind, ebenfalls unter einer Analatresie zu leiden, deutlich erhöht. Des Weiteren kann eine Analatresie im Zusammenhang mit verschiedenen Syndromen auftreten, die eine genetische Ursache haben. Zu diesen Krankheitsbildern zählen beispielsweise das Down-Syndrom (Trisomie 21), das Currari-Syndrom oder das Townes-Brocks-Syndrom.

Wie erfolgt die Diagnose?

Die Diagnose einer Analatresie ist erst nach der Geburt bei der Erstuntersuchung möglich. Zwar können während der Schwangerschaft bei Ultraschalluntersuchungen in manchen Fällen typische begleitende Fehlbildungen festgestellt werden, eine vorzeitige Diagnose der Analatresie ist aber nicht möglich. Nach der Geburt fällt bei der Kontrolle der Region zwischen Damm und Analregion sofort auf, dass der After fehlt oder an einer falschen Stelle angelegt ist. Außerdem können die Vaginal- und Harnröhrenöffnung fehlen.

Innerhalb der nächsten 24 Stunden wird der Arzt weitere Untersuchungen durchführen, um die genaue Art und Ausprägung der Analatresie zu bestimmen. Zu diesen Untersuchungen gehört unter anderem eine Urinuntersuchung. Kann im Urin Stuhl nachgewiesen werden, gilt dies als Hinweis auf eine fälschlicherweise angelegte Verbindung zwischen dem Enddarm und der Harnröhre (rektourethrale Fistel). Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann der Arzt feststellen, wie weit das Ende des Enddarms (Rektumblindsack) von der Sollstelle des Afters entfernt ist. Außerdem kann er bei der Ultraschalluntersuchung weitere Fehlbildungen, wie beispielsweise der Nieren, der ableitenden Harnwege, des Herzens oder des Rückenmarks feststellen beziehungsweise ausschließen. Wenn äußerlich keine Fisteln zu erkennen sind und die Ultraschalluntersuchung keine ausreichenden, eindeutigen Ergebnisse liefert, kann zusätzlich eine Röntgenuntersuchung der Analregion durchgeführt werden.

Weitere Untersuchungen können in den ersten Tagen nach der Geburt durchgeführt werden, um das Ausmaß der Fehlbildung genauer festzustellen. Diese genaue Differenzierung der Analatresie ist sehr wichtig und entscheidend für die nachfolgende Therapie. Zu den weiteren Untersuchungen zählen beispielsweise eine Untersuchung der ableitenden Harnwege (Miktionszysturethrographie), eine Spiegelung der Harnblase (Zystoskopie), eine Chromonsomenanalyse und eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Bauchs, der Wirbelsäule und des Rückenmarks.

Sollte ein vorübergehender, künstlicher Darmausgang (Stoma, Anus praeter) anlegt worden sein, wird vor der endgültigen Korrektur der Fehlbildung ein so genanntes distales Kolostrogramm durchgeführt. Bei dieser Untersuchung wird ein Kontrastmittel unter Druck in den unteren Teil des Dickdarms eingebracht (Kolon-Kontrast-Einlauf). Ziel ist es, den Abstand zwischen dem sackförmigen Ende des Dickdarms und der eigentlichen Stelle der Afteröffnung auf der Haut zu messen. Gleichzeitig kann bei dieser Untersuchung festgestellt werden, ob eine Fistel vorhanden ist und wie sie verläuft.

Wie wird Analatresie behandelt?

Die Therapie der Analatresie hängt davon ab, wie sehr die Fehlbildung ausgeprägt ist und ob Fisteln vorhanden sind. In den meisten Fällen besteht sie aus ein bis drei operativen Eingriffen, um die Fehlbildung des Enddarms zu korrigieren und eine Afteröffnung anzulegen beziehungsweise an die korrekte Stelle zu versetzen.

Der einfachste Fall einer Analatresie ist eine perianale Fistel, die in die Haut des Damms mündet. Bei dieser kann innerhalb der ersten zwei Tage nach der Geburt eine direkte Korrektur (Anoplastik) mithilfe einer einfachen, oberflächlichen Operation durchgeführt werden. Bei dieser wird der Enddarm an seine eigentliche Sollstelle gebracht, weitere Operationen sind nicht notwendig. Wenn trotz der Analatresie ausreichend Stuhlgang ausgeschieden werden kann, muss die Operation nicht gleich in den ersten Tagen durchgeführt werden.

Bei Frühgeborenen oder Neugeborenen mit zusätzlichen angeborenen Fehlbildungen ist eine direkte Korrektur meist nicht möglich. Stattdessen wird bei diesen Kindern zunächst – meist in den ersten beiden Lebenstagen - ein künstlicher Darmausgang (Anus praeter, Stoma) angelegt, indem der Dickdarm durchtrennt und die zwei Enden durch die Bauchdecke nach außen abgeführt werden. Über diesen Darmausgang wird ein vorläufiger Weg geschaffen, Stuhl auszuscheiden. In den meisten Fällen bleibt er für ein bis drei Monate bestehen. In dieser Zeit kann das Kind das Krankenhaus verlassen und zu Hause von den Eltern versorgt werden.

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Schemaskizze eines Stoma

Innerhalb des ersten Lebensjahres wird dann die eigentliche Bildung der analen Öffnung durchgeführt. Dieser Eingriff wird als Durchzugsoperation oder PSARP (posteriore-sagittale-anorektale Plastik) bezeichnet. Nach etwa zwei Wochen beginnt die so genannte Dehnung der Analöffnung (Bougieren). Ihr Ziel ist es, einer narbigen Enge des neu gebildeten Afters vorzubeugen. Durchgeführt wird die Dehnung mit so genannten Hegar-Stiften. Dabei handelt es sich um glatte, runde Metallstifte mit unterschiedlichen Durchmessern, die vorsichtig in den After eingeführt werden und diesen auf diese Weise weiten. Begonnen wird mit dem kleinsten, passenden Durchmesser. Im Laufe der Zeit wird der Durchmesser immer weiter erhöht, bis die Größe des Afters der durchschnittlichen Größe eines gleichaltrigen, gesunden Kindes entspricht. Anfänglich muss die Dehnung täglich durchgeführt werden, danach kann die Häufigkeit immer weiter abnehmen bis im fünften bis siebten Monat nur noch eine Dehnung pro Monat erforderlich ist.

Wenn die Wunden der Durchzugsoperation gut verheilt sind und der After eine ausreichende Größe erreicht hat, kann der künstliche Darmausgang – meist ein bis drei Monate nach der Operation - zurückverlegt werden. Bei diesem Eingriff werden die nach außen geleiteten Darmenden wieder zusammengeführt und die Bauchdecke anschließend verschlossen. Danach ist es dem Kind möglich, Stuhl über den neuen After auszuscheiden.

Begleitend zur Operation wird meist ein Blasenkatheter für die Dauer von einem bis drei Tagen bei Mädchen und bis zu sieben Tagen bei Jungen gelegt, über den Urin abgeleitet wird. Außerdem wird häufig über mehrere Tage hinweg ein bakterienabtötendes Antibiotikum gegeben, um einen Harnwegsinfekt zu verhindern.

Nach der Operation ist ein täglicher Stuhlgang sehr wichtig. Falls eine Verstopfung (Obstipation) drohen sollte, ist eine abführende Diät oder eine medikamentöse Regulierung des Stuhlgangs mit Abführmitteln sinnvoll. Sollte die Verstopfung weiter anhalten, kann ein so genanntes Stuhl- und Beckenbodentraining bei einem Physiotherapeuten durchgeführt werden.

Drei Viertel der betroffenen Kinder erlangen nach einer Operation die Fähigkeit, ihre Darmentleerung willentlich zu steuern. Bei einem Viertel der Betroffenen bleibt allerdings eine Stuhlinkontinenz vorhanden. In diesen Fällen können u.a. moderne Inkontinenz-Hilfsmittel eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Alltags spielen.

Inkontinenz-Hilfsmittel bei Analatresie

Moderne Inkontinenzprodukte können den Betroffenen oft Kontrolle, Sicherheit und Freiheit zurückgeben und ermöglichen so deutlich mehr Lebensqualität.

Um die Bedürfnisse Betroffener möglichst gut und situationsgerecht zu versorgen, gibt es verschiedene Hilfsmitteltypen und ein noch größeres Spektrum konkreter Produkte diverser Hersteller. Oft wissen Betroffene gar nicht um diese Möglichkeiten.

Aus Sicht des Einzelnen ist hier entscheidend, sich gut zu informieren und dann aus den Möglichkeiten die Versorgungslösung zu wählen, die optimal auf die individuelle medizinische Situation und seinen Lebensstil passt. Grundlage hierfür ist zum einen die richtige Diagnose, zum anderen eine Beratung durch Hilfsmittelspezialisten, die einen strukturierten Überblick über den Hilfsmittelmarkt haben und auf den individuellen Fall bezogen beraten können. Auf den Seiten zu „Produkte verstehen“ finden Sie umfangreiche Informationen zu den verschiedenen Inkontinenzhilfsmitteln, deren Anwendungsbereichen und Vor- und Nachteilen.

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Weiterführende Informationen

  • SoMA e.V.
    Selbsthilfe für Menschen mit Anorektal-Fehlbildungen und Morbus Hirschsprung: www.soma-ev.de
  • CURE Net
    Netzwerk für Congenitale Uro-Rektale Fehlbildungen: www.cure-net.de
  • ANOREC Help
    Selbsthilfegruppe für Patienten mit ARM, die weder Deutsch oder Englisch sprechen