Wie sieht die Therapie aus?
Wichtig zu wissen ist, dass die Schwere der Folgen individuell verschieden ist und davon abhängt, an welcher Stelle sich der Wirbelspalt befindet. 90 Prozent der betroffenen Kinder mit einer Spina bifida haben Fehlstellungen der Füße. Bei rund der Hälfte tritt Klumpfüßigkeit auf. Kniegelenke und Hüften können verkrümmt sein, die Wirbelsäule deformiert. Dazu kommt, dass nicht nur das Neuralrohr, sondern das gesamte zentrale Nervensystem in der Entwicklung gestört ist. So kommt es bei den meisten MMC-Betroffenen zum Beispiel sehr häufig begleitend zu einem Hydrocephalus, einem „Wasserkopf“, weil sich zu viel „Nervenwasser“, so genannter Liquor, das Gehirn und Rückenmark umspült und so schützt, in den Hirnkammern ansammelt und sich infolgedessen weiten.
Die Therapie – Eine komplexe lebenslange Behandlung
Nach der Geburt können sich die Mediziner anhand weiterer Ultraschall- und Magnetresonanz-Tomographie (MRT)-Aufnahmen ein genaues Bild der Spina bifida machen. Ein „offener Rücken“ wird kurz nach der Geburt in einem operativen Eingriff verschlossen, damit keine Krankheitskeime in das Rückenmark gelangen. Eine Infektion der Nervenbahnen und Rückenmarkshäute ist lebensbedrohlich. In einzelnen Spezialzentren in Europa und den USA operieren Ärzte sogar über einen Bauchschnitt noch im Mutterleib die Spina bifida, um zu verhindern, dass das Rückenmark im Verlaufe der Schwangerschaft weiter geschädigt wird. So zeigte in den USA die sogenannte „MOMS-Studie“ bereits im Jahre 2010, dass bei nur 40 Prozent der vorgeburtlich operierten Kinder später Hirnwasser wegen eines Hydrocephalus abgeleitet werden musste. In Deutschland steckt diese Methode allerdings noch in den Anfängen. Werdende Mütter sollten sich eingehend mit ihrem Arzt beraten, ob ein solcher Eingriff für sie infrage kommt.
Für die betroffenen Kinder beginnt bei der schweren Form einer Spina bifida eine oft komplexe lebenslange Behandlung. Die ersten Lebenswochen und -monate durchziehen diverse operative Eingriffe, bei denen zum Beispiel Fehlstellungen der Extremitäten korrigiert werden. Sie sind mit längerem Verweilen im Krankenhaus verbunden. Die Schäden des Rückenmarks können jedoch nicht grundlegend behoben werden. Für die jungen Eltern ist das eine enorme Herausforderung. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, ein oftmals behindertes Kind zu haben, das anders aufwachsen wird als andere Kinder. Aus diesem Grund werden in das Behandlungsteam von Kinder- und Neurochirurgen, Neurologen, Orthopäden, Kinderurologen, Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten von Anbeginn an Psychologen beziehungsweise Psychotherapeuten eingebunden. Die Gespräche helfen Eltern, den gesunden Geschwisterkindern und später den Betroffenen selbst, mit der besonderen Situation umzugehen.
Regelmäßige orthopädische Therapie wichtig
Da die Symptome bei der Spina bifida individuell so unterschiedlich ausfallen, ist auch die Therapie von Patient zu Patient verschieden. Probleme mit der Blasenentleerung werden mit entsprechenden Arzneien behandelt. Allerdings muss in der Regel bei den Betroffenen regelmäßig ein keimfreier Einmalkatheter in die Harnröhre geschoben werden, um die Blase zu entlasten. Das spielt sich ein und kann dann von den Eltern und später von den herangewachsenen Betroffenen selbst übernommen werden. Störungen bei der Stuhlentleerung lassen sich mithilfe einer sogenannten analen Irrigation behandeln, um unkontrollierten Stuhlverlust oder Verstopfung vorzubeugen. In der Regel wird vor einer Operation einmalig ein Antibiotikum eingenommen, um einer Infektion vorzubeugen. Ein absolutes Muss ist, sich kontinuierlich orthopädisch behandeln zu lassen. Dazu gehört Krankengymnastik, um eine restliche Beweglichkeit der Muskeln zu erhalten und einen Muskelschwund so gut wie möglich zu reduzieren. Diverse Bandagen und spezielle Schienen dienen dazu, den kindlichen Körper „aufzurichten“ und ihm zu ermöglichen, sich so gut wie möglich sowohl geistig als auch körperlich zu entwickeln. Weiterhin begleitet die Kinder und Jugendlichen ein Problem, dass sich „Tethered cord“ nennt, was „angebundene Schnur“ oder „gefesseltes Rückenmark“ bedeutet. Und zwar ist das Rückenmark bei den Betroffenen im unteren Bereich des Wirbelkanals verwachsen. Infolgedessen wird der Rückenmarkskanal beim Heranwachsen länger, die darin liegenden Nervenbahnen aber nicht. Sie werden in die Länge gezogen, was zu weiteren teilweise neuen Beschwerden führen kann. Die Verwachsungen können mit einer sehr zeitaufwändigen Operation löst werden. Der Erfolg ist allerdings schwer einzuschätzen und sollte mit dem Facharzt besprochen werden.
Um eine Spina bifida zu verhindern, wird heute weltweit Folsäure gegeben. Frauen sollten am besten schon vor und im ersten Drittel der Schwangerschaft in Absprache mit ihrem Arzt Folsäure einnehmen.
Weitere Therapien
Die Zahl der weiteren Behandlungen und Therapien, um die Beweglichkeit und Grobmotorik zu trainieren ist groß. Regelmäßiges Turnen beispielsweise trainiert noch funktionstüchtige Muskeln, beugt Gelenkversteifungen und vermittelt Gleichgewicht und Körperwahrnehmung. Die Geschicklichkeit der Hände und ihre Koordination lassen sich in ergotherapeutischen Maßnahmen fördern. Es kommt aber auch darauf an, welche Beschäftigung dem Betroffenen liegt und Freude bereitet. Je nach Lust, Bedarf und Geldbeutel kann man zum Beispiel auch eine Wasser-, Mal-, oder Reittherapie, Rhythmik anwenden. Am besten lässt man sich von einem Physio- und Ergotherapeuten beraten