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Spina Bifida

Was ist eine Spina Bifida?

Es handelt bei der Spina bifida, umgangssprachlich „offener Rücken“ genannt, um eine Fehlbildung der Wirbelsäule noch im Mutterleib. Und zwar entwickelt sich in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche aus Haut- und Nervengewebe des Embryos das so genannte Neuralrohr. Es ist Vorläufer der Wirbelsäule und dem darin verlaufenden Rückenmark, das einen wesentlichen Teil des zentralen Nervensystems (ZNS) ausmacht. In dieser Phase wird die Entwicklung des Neuralrohrs mit verschiedenen Ausprägungen gestört. Die Dornfortsätze und die Wirbelbögen, die im Normalfall das Rückenmark hinten verschließen, fehlen in einigen Segmenten. In Deutschland kommen ungefähr ein von 1.000 Neugeborenen mit einer Spina bifida auf die Welt.

Was sind die Ursachen?

„Spina“ kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt Stachel und bifida leitet sich von „bifidus“ ab, gespalten. Außerdem können Rückenmark und seine umgebenden Hüllen sehr unterschiedlich fehlgebildet sein. Mädchen sind davon etwas häufiger betroffen als Jungen. Als Ursachen der Spina bifida vermuten Experten das Zusammenwirken von Erbanlagen und bestimmte Umweltfaktoren in der Frühschwangerschaft. Dazu gehören Virusinfektionen, aber auch Alter, Diabetes oder Übergewicht der Mutter. Als gesichert gilt inzwischen ein Mangel an Folsäure bei Schwangeren sowie bestimmte Medikamente gegen Epilepsie oder der Tumortherapie.

Welche Formen werden unterschieden?

Je nachdem, wie ausgeprägt die Fehlbildung ist, unterscheidet man im Wesentlichen zwei verschiedene Formen der Spina bifida.

  • Ist die Spaltung der Wirbelsäule verdeckt, sprechen die Mediziner von einer Spina bifida occulta, einem „verborgenen Spaltwirbel“. In diesen Fällen ist die Wirbelsäule gespalten, wobei das Rückenmark im Wirbelkanal auch stark verändert sein kann. Gangstörungen oder Gefühlsprobleme und Blasen-Mastdarmstörungen sind die führenden Beschwerden. Diese können sich auch erst im Verlauf der Entwicklung einstellen. Die Beine können schnell ermüden sowie Blasen- und Darmprobleme auftreten. Diese Form der Spina bifida wird oftmals nur zufällig bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt. Äußerlich kann eine kleine angeborene Hautöffnung, aus der Haare herauswachsen, darauf hinweisen.

  • Bei einer Spina bifida aperta, einem „offenen Spaltwirbel“, sind auch Rückenmark beziehungsweise Rückenmarkshäute von der Fehbildung betroffen. Entweder liegt das Rückenmark unversehrt im Wirbelkanal und nur die Häute sind sackartig ausgestülpt. Bei dieser Meningozele genannten Unterform kommt es zu neurologischen Ausfällen. Bei der Myelomeningozele (MMC), der zweiten Unterform der Spina bifida aperta, hingegen befinden sich sowohl das Rückenmark als auch die Rückenmarkshäute als Blase außerhalb des Wirbelkanals. Das ist die häufigste und schwerste Form der Spina bifida und kann eine angeborene Querschnittslähmung im motorischen, sensiblen und vegetativen Bereich zur Folge haben, weil durch die Fehlbildung die im Rückenmark verlaufenden Nervenleitungen geschädigt worden sind. In der Regel sind die Beine gelähmt, verbunden mit Muskelschwund, Empfindungsstörungen von Schmerzen, Druck oder Temperatur sowie einer Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz.

Wie wird Spina Bifida diagnostiziert?

Hinweise auf eine Spina bifida können die Mediziner bereits im Mutterleib bekommen. So sind im Ultraschall um die 20 Schwangerschaftswoche, unter Umständen sogar ab der 12. Schwangerschaftswoche, Anzeichen einer Spina bifida zu erkennen. Die Ärzte messen dabei auch den Durchmesser des Kopfes und beurteilen die Größe der Hirnkammern. Aus dem Ergebnis ersehen sie, ob das Kind einen „Wasserkopf“ hat. Babys mit einer Spina bifida werden in der Regel etwas früher per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Im Falle eines Hydrocephalus kann der vergrößerte Kopf bei einer natürlichen Geburt Probleme bereiten. Die Operation des Rückens möglichst frühzeitig vorgenommen werden.

Wie sieht die Therapie aus?

Wichtig zu wissen ist, dass die Schwere der Folgen individuell verschieden ist und davon abhängt, an welcher Stelle sich der Wirbelspalt befindet. 90 Prozent der betroffenen Kinder mit einer Spina bifida haben Fehlstellungen der Füße. Bei rund der Hälfte tritt Klumpfüßigkeit auf. Kniegelenke und Hüften können verkrümmt sein, die Wirbelsäule deformiert. Dazu kommt, dass nicht nur das Neuralrohr, sondern das gesamte zentrale Nervensystem in der Entwicklung gestört ist. So kommt es bei den meisten MMC-Betroffenen zum Beispiel sehr häufig begleitend zu einem Hydrocephalus, einem „Wasserkopf“, weil sich zu viel „Nervenwasser“, so genannter Liquor, das Gehirn und Rückenmark umspült und so schützt, in den Hirnkammern ansammelt und sich infolgedessen weiten.

Die Therapie – Eine komplexe lebenslange Behandlung

Nach der Geburt können sich die Mediziner anhand weiterer Ultraschall- und Magnetresonanz-Tomographie (MRT)-Aufnahmen ein genaues Bild der Spina bifida machen. Ein „offener Rücken“ wird kurz nach der Geburt in einem operativen Eingriff verschlossen, damit keine Krankheitskeime in das Rückenmark gelangen. Eine Infektion der Nervenbahnen und Rückenmarkshäute ist lebensbedrohlich. In einzelnen Spezialzentren in Europa und den USA operieren Ärzte sogar über einen Bauchschnitt noch im Mutterleib die Spina bifida, um zu verhindern, dass das Rückenmark im Verlaufe der Schwangerschaft weiter geschädigt wird. So zeigte in den USA die sogenannte „MOMS-Studie“ bereits im Jahre 2010, dass bei nur 40 Prozent der vorgeburtlich operierten Kinder später Hirnwasser wegen eines Hydrocephalus abgeleitet werden musste. In Deutschland steckt diese Methode allerdings noch in den Anfängen. Werdende Mütter sollten sich eingehend mit ihrem Arzt beraten, ob ein solcher Eingriff für sie infrage kommt.

Für die betroffenen Kinder beginnt bei der schweren Form einer Spina bifida eine oft komplexe lebenslange Behandlung. Die ersten Lebenswochen und -monate durchziehen diverse operative Eingriffe, bei denen zum Beispiel Fehlstellungen der Extremitäten korrigiert werden. Sie sind mit längerem Verweilen im Krankenhaus verbunden. Die Schäden des Rückenmarks können jedoch nicht grundlegend behoben werden. Für die jungen Eltern ist das eine enorme Herausforderung. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, ein oftmals behindertes Kind zu haben, das anders aufwachsen wird als andere Kinder. Aus diesem Grund werden in das Behandlungsteam von Kinder- und Neurochirurgen, Neurologen, Orthopäden, Kinderurologen, Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten von Anbeginn an Psychologen beziehungsweise Psychotherapeuten eingebunden. Die Gespräche helfen Eltern, den gesunden Geschwisterkindern und später den Betroffenen selbst, mit der besonderen Situation umzugehen.

Regelmäßige orthopädische Therapie wichtig

Da die Symptome bei der Spina bifida individuell so unterschiedlich ausfallen, ist auch die Therapie von Patient zu Patient verschieden. Probleme mit der Blasenentleerung werden mit entsprechenden Arzneien behandelt. Allerdings muss in der Regel bei den Betroffenen regelmäßig ein keimfreier Einmalkatheter in die Harnröhre geschoben werden, um die Blase zu entlasten. Das spielt sich ein und kann dann von den Eltern und später von den herangewachsenen Betroffenen selbst übernommen werden. Störungen bei der Stuhlentleerung lassen sich mithilfe einer sogenannten analen Irrigation behandeln, um unkontrollierten Stuhlverlust oder Verstopfung vorzubeugen. In der Regel wird vor einer Operation einmalig ein Antibiotikum eingenommen, um einer Infektion vorzubeugen. Ein absolutes Muss ist, sich kontinuierlich orthopädisch behandeln zu lassen. Dazu gehört Krankengymnastik, um eine restliche Beweglichkeit der Muskeln zu erhalten und einen Muskelschwund so gut wie möglich zu reduzieren. Diverse Bandagen und spezielle Schienen dienen dazu, den kindlichen Körper „aufzurichten“ und ihm zu ermöglichen, sich so gut wie möglich sowohl geistig als auch körperlich zu entwickeln. Weiterhin begleitet die Kinder und Jugendlichen ein Problem, dass sich „Tethered cord“ nennt, was „angebundene Schnur“ oder „gefesseltes Rückenmark“ bedeutet. Und zwar ist das Rückenmark bei den Betroffenen im unteren Bereich des Wirbelkanals verwachsen. Infolgedessen wird der Rückenmarkskanal beim Heranwachsen länger, die darin liegenden Nervenbahnen aber nicht. Sie werden in die Länge gezogen, was zu weiteren teilweise neuen Beschwerden führen kann. Die Verwachsungen können mit einer sehr zeitaufwändigen Operation löst werden. Der Erfolg ist allerdings schwer einzuschätzen und sollte mit dem Facharzt besprochen werden.

Um eine Spina bifida zu verhindern, wird heute weltweit Folsäure gegeben. Frauen sollten am besten schon vor und im ersten Drittel der Schwangerschaft in Absprache mit ihrem Arzt Folsäure einnehmen.